Live-Berichte (3)

Basislager, 10.4.2000, 15.00 Uhr

Gestern haben wir also wie geplant unser Basislager erreicht. Aber mal der Reihenfolge nach:

1.4.2000 - Wir haben unsere Ausrüstung sortiert und in die Fässer gepackt. Alle Zelte wurden noch einmal aufgebaut und kontrolliert. Ein Teil unserer Ausrüstung fliegt gleich ins Basecamp, der andere Teil wird auf das Trekking mitgenommen. So muß man schon überlegen, was man wo braucht. Trotz einer gewissen Routine, die man im Laufe der Jahre gewonnen hat, kommt man daher ohne Listen und Merkzettel nicht aus. Am Abend unterschrieben wir erstmal die letzten Grußpostkarten und übergaben sie nepalesischen Freunden, die sie zur Post brachten.

Am 2.4. holte der LKW pünktlich um fünf Uhr morgens das Fluggepäck ab, wir frühstückten und folgten zwei Stunden später. In zwei Gruppen flogen wir dann nach Lukhla und landeten dort 55 min später auf einem winzigen Flugplatz in 2800 m Höhe. Leider war die Sicht schlecht, so dass wir keinen Ausblick auf die Bergketten hatten. Wir übernachteten in diesem kleinen Bergdorf, das den Ausgangspunkt für Trekkingtouren ins Everest-Basecamp bildet. Dementsprechend viel Leute sind hier unterwegs, und es ist noch nicht mal Hochsaison. Wir schliefen in einer kleinen Lodge und ließen es uns nochmal richtig gut gehen bei Yaksteak und Bier.

Am nächsten Morgen wehte zum Glück nur ein leises Lüftchen, und um sieben Uhr waren wir schon wieder im Hubschrauber. Nach 40 min erreichten wir das Bergdorf Tashigoan, 2200 m hoch gelegen. Kurze Landung auf einer kleinen Wiese - die Piloten beherrschen ihr Handwerk wirklich perfekt. Bei laufenden Rotoren wurde eilig das Trekkinggepäck ausgeladen, nichts darf vergessen werden. Am Nachmittag kam eine englische Trekkinggruppe hier an, 5 Teilnehmer und unzählig viele Träger. Sie wollen auch ins Makalu-Basecamp und dann weiter über den Paß Sherpani Col zum Trekkinggipfel Mera Peak (ca. 6600 m hoch). Vor uns sind eine australische Trekkinggruppe sowie die koreanische Expedition, die auch den Makalu besteigen will. Also nicht viel los. Das Abenteuer konnte beginnen.

Am 4.4. starteten wir um halb neun bei sonnigem Wetter. 1300 Höhenmeter lagen vor uns. Erst ging es durch Bergurwald, dann folgten Rhododendronbäume und -sträucher. Herrlich, die farbenfrohen Blüten vor den weißen Bergketten! Ab 3000 m Höhe begann der Schnee, jedoch nicht so viel, wie vor zwei Jahren. Und außerdem mussten wir diesmal nicht spuren. Gegen 14.00 Uhr erreichten wir das Camp Kauma, 3500 m hoch. Eine Stunde später kamen unsere Träger und das Küchenteam, insgesamt 17 Leute. Zelte aufbauen, essen - zum Abendbrot gibt es Spaghetti - und 19.00 Uhr lagen wir schon im Schlafsack. Minusgrade über Nacht ließen den Schnee gefrieren und die Zelte vereisen. Um sieben am nächsten Morgen ist schon wieder alles eingepackt, und um acht starteten wir nach dem Frühstück. Da sahen wir, wie von oben eine große Mannschaft in Richtung unseres Lagers absteigt. Es waren die Australier. Sie meinten, die Paßüberschreitung wäre zu schwierig, zu viel Schnee und man würde Fixseile brauchen. Wir waren etwas beunruhigt. Später stellte sich heraus, das alles unproblematisch ist, keinerlei gefährliche Passagen. Die Umkehr der Australier blieb uns unverständlich. Das Wetter spielte vormittags ganz gut mit, und diesmal hatten wir Glück: kurz vorm Paß ist der Blick frei zum Makalu - ein gigantischer Anblick. Zum vierten Mal stehe ich an dieser Stelle, und nun habe ich endlich mal den erhofften Blick. Hoffentlich hat unsere Trekkinggruppe, die am 11.4. startet, auch solches Glück. Später zog es dann wieder zu und es begann leicht zu schneien. Wir erreichten das Camp Mumbuk (3500 m) am frühen Nachmittag. Herrlich, in diesem Urwald zu campieren.

6.4.2000 - Der steile Abstieg zum Fluß Barun erwartet uns. Die Schneeverhältnisse sind günstig, und so gibt es keine nennenswerten Schwierigkeiten. Über eine große Schneebrücke wird der Barun überschritten und weiter geht es - teils am Flußufer, teils am Hang - nach Yangle Kharka. Den Weg gehen wir recht zügig, denn überall ist Steinschlaggefahr. Zum Glück erreichten alle unversehrt das Camp in 3550 m Höhe. Das Wetter ist sehr gleichmäßig in den letzten Tagen: vom frühen Morgen bis um neun Sonnenschein und blauer Himmel, dann ziehen Wolken auf und spätestens um elf ist es völlig bedeckt und es beginnt zu schneien. Dazu weht meist ein kalter Wind. Wetter für die Bergbesteigung ist das noch keines, aber wir hoffen, dass sich alles noch bessert.

7.4.2000 - Ruhetag in Yangle Kharka. Werner und Bernd haben ein paar Probleme mit der Akklimatisierung, da ist ein Ruhetag sinnvoll. Außerdem haben wir genug Zeit, bisjetzt lief ja alles wie am Schnürchen.

8.4.2000 - Dank des Ruhetages geht es den beiden besser, und wir können ohne Probleme weiter aufsteigen. Ein fantastisches Tal erwartet uns. 300 m hohe Wasserfälle und riesige Felswände, für Big-Wall-Kletterer ein äußerst ergiebiges Feld. Der 6800 m hohe Peak 6 kommt ins Blickfeld, ein sehr imposanter Gipfel, den wir später täglich vom Basecamp aus sehen werden. Kurz nach Mittag erreichen wir in 4100 m Höhe das Camp Jakarka mit seinen wenigen Steinhütten. Am nächsten Tag geht es dann endlich ins Basislager.

9.4.2000 - Wir kommen den großen Bergen immer näher, und gegen 11.00 Uhr wird die Spitze des Makalu sichtbar - beeindruckend diese grandiose Form. Je näher man dem Basislager kommt, um so mehr ist von der gewaltigen Südwestwand zu sehen. Obwohl ich diesen Anblick ja schon kenne, bin ich völlig hingerissen und beeindruckt. Ein kaltes Kribbeln läuft mir über den Rücken. Mittags um eins erreichen wir das 4700 m hohe Basislager. Hier ist es völlig grün, kein Fleckchen Schnee ist mehr zu sehen. Unser Koch und sein Helfer, die schon vorher mit dem Hubschrauber hochgeflogen sind, heißen uns herzlich willkommen. Wir sind überglücklich: alle sind angekommen, das gesamte Gepäck ist da und wir sind ganz allein hier. Das koreanische Team ist weiter hoch gezogen. Sie bauen ihr Basislager in 5600 m Höhe auf. Zu hoch, wie wir denken. Die erste Etappe ist also gemeistert, jetzt geht es zur zweiten: Ziel Baruntse.

10.4.2000 - In der Nacht hat es etwas geschneit, aber die Sonne taut alles wieder weg. Heute gab es viel zu tun. Die gesamte Technik mußte aufgebaut werden, d.h. Solarpaneele aufbauen, verdrahten, die Kommunikationstechnik anschließen und alles testen. Außerdem wurden die Schlafzelte und das Küchenzelt aufgebaut. Ein großer Teil der Ausrüstung wurde schon ausgepackt und sortiert. Mittags führten wir dann die Gebetszeremonie durch. Ein riesiger Altar aus Steinen wurde aufgebaut und bunte Gebetsfahnen aufgehangen. Zu diesem Zweck wurde extra aus Jakarka ein 3 m langer Holzpfahl mitgebracht. Dann wird ein Rauchfeuer entfacht und Nahrungsmittel geopfert. Unser Sirdar Mingmar, der nepalesische Chef für alles, spricht Gebete und es wird Reis und Mehl in die Luft geworfen. Später gibt es einen kleinen Schluck Sekt für alle. In diese Zeremonie werden alle einbezogen: Küchenteam, Helfer und Expeditionsmitglieder. Zum Schluß wird allen noch ein rotes Band umgebunden, was in Kathmandu von einem Lama geweiht wurde. Dieses Band behält jeder bis zum Expeditionsende um, und ist somit vor allen Gefahren geschützt. Für uns ist diese Zeremonie ein wichtiger Bestandteil der Expedition geworden, der uns immer wieder nahe geht. Wir würden das Basislager in Richtung Berg nie ohne diese Zeremonie verlassen.

Morgen wollen wir dann den ersten Erkundungsausflug in Richtung Baruntse machen, etwas Material hochschaffen und den Weg erkunden. Bis ca. 5700 m, wo unser Lager 1 entstehen soll wollen wir, und dann zurück ins Basecamp - optimal für die Akklimatisation. Dann sollen zwei Ruhetage folgen und tags darauf starten wir. Wie der genaue Ablauf sein wird, richtet sich nach den Bedingungen. Hauptsache, das Wetter spielt mit. Heute schneit es schon seit Mittag, so dass unser Lager ganz weiß ist.

Das Problem der Gaskartuschen, was ich im letzten Bericht schilderte, hat sich auch geklärt, sie waren doch noch pünktlich da. Dafür fehlten ein paar Außenzelte, die bringt nun unsere Trekkinggruppe mit. Ansonsten geht es allen ganz gut und wir sind optimistisch.

Herzliche Grüße nach Sachsen und den Rest der Welt von Frank Meutzner auch im Namen der ganzen Mannschaft.

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