Live-Berichte (5)

Basecamp, 18.4.00, 16.00 Uhr

Hallo Heimat, da sind wir wieder. Alle von uns sind wieder gesund im Basecamp angekommen. Während eine Vierergruppe - bestehend aus Götz, Bernd, Ole und mir - bereits gestern nachmittag das Basislager erreichte, kamen Elli, Türps und Werner heute mittag hier an. Ray mußte bereits vorgestern absteigen, da ihm nun nach seiner Erkältung ein Weisheitszahn zu schaffen macht. Chronologisch geordnet, liefen die letzten Tage folgendermaßen ab:

Wie geplant starteten wir gemeinsam am 14. April in Richtung Camp 1 am Baruntse. Obwohl oder vielleicht gerade weil wir diesen üblen Weg schon kannten, war es wieder sehr mühselig, den Weg über die Schotterfelder zu meistern. Jeder ging sein eigenes Tempo und so waren wir schon bald auseinandergerissen. Am Abend des Aufbruchs wurde sowieso schon eine kleine Änderung getroffen. Elli und Türps wollten nicht ganz mit ins Camp 1 sondern 200 Höhenmeter unterhalb ihr Zelt aufschlagen, da sie der Meinung sind, daß dies für Ihre Akklimatisation besser ist. Da Werner an diesem Tag nicht so gut vorankommt, bleibt auch er zusammen mit Ray in diesem unteren Lager. Die restlichen vier errichten dann gegen 14.00 Uhr das Camp 1. Zwei Zelte bauen wir kurz vor Beginn des Gletschers auf. Leider schneit es dabei schon wieder und der Makalu, auf den man von hier sonst beste Sicht hat, versteckt sich hinter den Wolken.
Nach dem Wetter kann man fast die Uhr stellen: jeden Tag beginnt es gegen halb zwei zu stürmen und schneien. Unseren TATONKA-Zelten macht dies natürlich nichts aus. Nachdem wir sie ordentlich abgespannt und befestigt haben, können wir uns ganz beruhigt einen Kaffee kochen. Dazu gibt es einen kleinen Dresdner Christstollen. Die Bäckerei EMIL REIMANN aus Dresden stellte uns diese als Handstollen bezeichnete Leckerei liebenswerterweise zur Verfügung. Später durchdenken wir nochmal unseren Plan für den nächsten Tag und stellen die Ausrüstung zusammen. Seile, Eisschrauben, Fahnen, Fixseile und Snowbars (30-50 cm lange Aluhäringe) wollen wir über den Paß ins nächste Lager schaffen, d.h. ein kleines Depot anlegen und wieder ins Camp 1 zurückkehren. Wir bereiten uns noch ein nahrhaftes Abendbrot, bei Götz und Bernd gibt es Sauerbraten und bei Ole und mir Kartoffelbrei mit Knoblauchwurst. Dann füllen wir noch unsere 1,5 L SIGG-Flaschen mit heißem Wasser und stülpen den Thermoschutz über, damit über Nacht das Wasser nicht gefriert und wir früh nicht erst Schnee schmelzen müssen. Später verkriechen wir uns in die warmen YETI-Schlafsäcke, die 15 Grad minus machen uns da nicht viel aus. Leider verschlechtert sich das Wetter über Nacht und als am nächsten Morgen gegen sechs der Wecker klingelt, schneit es. Wir bereiten uns trotzdem auf den Aufstieg vor in der Hoffnung, das sich das Wetter bessert. Um sieben haben wir Funkkontakt mit der Gruppe aus dem unteren Lager. Elli, Türps und Werner wollen hochkommen und mit uns weitergehen. Ray muß wegen dem schon erwähnten Zahn leider absteigen. Wir warten bis halb neun auf die drei, starten dann aber. Wir wissen ja nicht, wie weit es ist und was mit den dreien ist. Als wir den ersten Anstieg am Gletscher hinter uns haben, sehen wir zwei kommen. Wir setzten Fahnen für die Wegfindung und ziehen weiter. Kurzzeitig bessert sich das Wetter und der Blick zum Paß wird frei. Teils am Rand, teils in der Mitte des Gletschers haltend, erreichen wir den Schlußanstieg zum Paß. Dort erwartet uns anfangs Schrofengelände, später Schneeflächen. Im Aufstieg läßt sich das Schrofengelände noch seilfrei klettern, für den Abstieg legen wir aber 40 m Fixseil.
Um eins erreichen wir den 6100 m hohen Paß. Die Sherpas bezeichnen ihn als Sherpani-Col. Aber nach späterem Kartenstudium und Bildervergleich kommen wir zur Ansicht, dass es sich um den ca. 1 km weiter rechts gelegenen East-Col handelt. Wahrscheinlich ist der Weg zum Sherpani-Col zu gefährlich geworden, wie wir von unten erkennen konnten, drohen große Eisabbrüche über dem Weg. Wir sind erstaunt, wie steil es jetzt von unserem Paß zur anderen Seite herunter geht, schon das gibt uns zu denken, wird doch der Sherpani-Col als relativ leichter Trekkingübergang angegeben. Wir befestigen ein weiteres ca. 70 m langes Fixseil und seilen über Blankeis und Felsen auf den sogenannten Unteren Barungletscher ab. Mittlerweile schneit es stark und die Sicht wird immer schlechter. Nach einer weiteren halben Stunde Marsch müssen wir einsehen, dass es keinen Sinn mehr macht, weiter zu laufen. Bei nur 50 m Sicht wissen wir nicht, ob wir den richtigen Weg finden. So legen wir mitten auf dem Gletscher ein Depot an, verstauen die mitgenommene Ausrüstung in einem großen Sack und befestigen diesen an den Snowbars. Mit zwei Fahnen wird die Stelle noch markiert und zurück geht´s. Ganz glücklich sind wir darüber nicht, aber daran ändern können wir auch nichts. Wir schätzen noch ein bis zwei Stunden bis zum Camp 2. Da die anderen drei uns nicht gefolgt sind, denken wir, dass sie am nächsten Tag aufsteigen werden. Und vielleicht haben sie ja bessere Sicht. Der Aufstieg mit Hilfe einer Steigklemme an dem verlegten Fixseil zum Paß ist nochmal ganz schön anstrengend und zeitraubend. Im starken Schneetreiben erreichen wir gegen vier unsere Zelte und schlüpfen in die Schlafsäcke. Noch eine Nacht wollen wir oben bleiben, um uns zu akklimatisieren. Der abendliche Funkspruch klärt auch, warum die drei nicht gefolgt sind: Elli ging es nicht so gut und sie drehte noch vor unserem Camp 1 um. Die anderen beiden wollten sie nicht allein da unten lassen, hinterließen deshalb bloß Material im Camp1 und stiegen wieder ab.
Eine unangenehme Überraschung erlebten Götz und Bernd bei Ihrer Rückkehr ins Lager. Vorm dem Zelt lagen aufgerissene Tüten mit Spaghetti und Kartoffelbrei. Leere Verpackungen von dem Käse und den Würstchen deuteten darauf hin, daß es den Dohlen ganz gut geschmeckt hat. Die schwarzen Ungetüme sind unter das Vorzelt gekrochen und haben alle Nahrungsmittel geplündert. Zum Glück hatten Ole und ich alles im Zeltinneren gelagert.

Am nächsten Tag, dem 16. April, stiegen wir dann ab. Die drei anderen stiegen auf. Leider hatten auch sie kein Glück mit dem Wetter. Als sie 16.00 Uhr den Paß erreichten, war keine Sicht. Sie deponierten das Material auf dem Paß, stiegen ab und verbrachten die Nacht im Camp1. Wir quälten uns inzwischen den nicht enden wollenden Weg ins Basecamp zurück. Als wir um die letzte Ecke bogen und unser Basislager sahen, mußten wir feststellen, dass sich der Platz ganz schön mit Zelten gefüllt hat. Im Basecamp erwarteten uns schon Ray und Mingmar und berichteten uns über die Neuankömmlinge. Zwei neue Expeditionen sind angekommen. Eine italienische und eine internationale mit zwei deutschen Teilnehmern.

17. April - Die anderen drei sind ebenfalls gesund ins Basislager zurückgekehrt. Für die Besteigung des Baruntse machen wir folgenden Plan:
Am 19.4. startetet eine Vierergruppe mit Götz, Bernd, Ole und mir. Wir wollen am Freitag (20.4.) Lager 2 errichten und am Tag darauf versuchen, den Gipfel zu erreichen. In der zu erwartenden Steileispassage werden wir - wenn nötig - Fixseile verlegen. Falls die Besteigung am Sonnabend (21.4.) nicht gelingt, ist der Sonntag als Reservetag vorgesehen.
Die zweite Gruppe mit Elli, Türps, Ray und Werner startet am Sonnabend (21.4.) ins Camp 1 und wird dort mit uns per Funk in Kontakt treten, um den weiteren Ablauf abzusprechen. Ab 23.4. wird also wahrscheinlich die erste Gruppe wieder im Basecamp sein.

Heute nachmittag hatten wir noch eine interessante Begegnung mit einem Teilnehmer der koreanischen Expedition. Er kam von Jakarka mit zwei Trägern herauf und fragte nach einem Arzt, da es ihm nicht gut ging. Wie ich schon in einem der vorhergehenden Berichte erwähnte, haben die Koreaner ihr Basecamp gleich in 5700 m Höhe bezogen. Einem von ihnen ging es dann besonders schlecht und er stieg nach Jakarka ab. Nach drei Tagen war das Essen alle und er wollte wieder hoch. Nun stand er vor Elli, die ihn untersuchte. Sie diagnostizierte eine verschleppte Bronchitis mit Fieber. Sie gab ihm Tabletten und machte ihm eindeutig klar, dass ein weiterer Aufstieg alles andere als sinnvoll wäre. Wir boten ihm ein Zelt von uns an, damit er hier schlafen kann. Seine Begleiter sollten ins Lager aufsteigen, genügend Proviant holen und am nächsten Tag gemeinsam mit dem Koreaner absteigen, um sich weit unten auszukurieren. Aber nach einem kurzen Gespräch mit seinen Begleitern entschied sich der Koreaner, doch weiter aufzusteigen. Wir konnten diesen gefährlichen Leichtsinn nicht einmal annähernd verstehen.

Übrigens feiern wir morgen einen Geburtstag, Ray wird ein Jahr älter.

Herzliche Grüße im Namen aller Expeditionsmitglieder Frank Meutzner

Übersicht Live-Berichte