Live-Berichte (9)

Donnerstag, 18.5.2000

Gestern erreichte uns die schreckliche Nachricht: Einer unserer Freunde, Bernd Mehnert (33 Jahre, aus Dresden), wird nicht mehr von der Expedition zurückkehren. Bernd ist beim Abstieg vom Makalu auf 7.600 m Höhe tödlich verunglückt.

Vor einem solchen Hintergrund relativiert sich die Tatsache, dass fünf unserer Expeditionsmitglieder auf dem Gipfel des lang ersehnten Makalu - des schwarzen Berges, wie er von Einheimischen genannt wird - gestanden haben. Bernd war auch dabei. Die anfängliche Freude und der Stolz über den errungenen Gipfelsieg weicht nun der Trauer und der scheinbaren Hilflosigkeit.

Götz, Meutz, Elli, Ole und Türps werden in den kommenden Tagen die Lager abbauen und dann demnächst in Kathmandu eintreffen. Nachstehend findet Ihr den Wortlaut der beiden Artikel in der Sächsischen Zeitung von heute, dem 18. Mai.

Andreas Otto


SZ vom 18.5.2000 Seite 1

Tragödie beim Abstieg vom Makalu-Gipfel
Bernd Mehnert stirbt vermutlich an Lungen-Embolie

Glück und tiefes Leid bei der sächsischen Himalaja-Expedition: Am Montag standen, wie die SZ gestern erfuhr, Götz Wiegand, Frank Meutzner, Bernd Mehnert, Thomas Türpe und Olaf Zill bei besten Witterungs-Bedingungen auf dem 8 463 Meter hohen Makalu. Beim Abstieg am Dienstag dann die Tragödie: Bernd Mehnert bricht nach dem Verlassen des letzten Hochlagers zusammen und stirbt. Der 33-jährige Dresdner erlitt möglicherweise eine Lungen-Embolie, vermuten die Alpinisten nach Konsultationen mit Ärzten. Sie mussten Bernd Mehnert am Berg begraben.
Seit 1979 hatte kein Deutscher mehr den fünfthöchsten Gipfel der Erde bestiegen. Davor war das erst zwei Deutschen gelungen. "Es war eine Sternstunde für das sächsische Bergsteigen", sagte gestern Frank Meutzner am Satelliten-Telefon.
Die Stimmung bei der Expedition ist dennoch sehr gedrückt. "Eigentlich war es ein Riesenerfolg: Fünf gehen los, fünf kommen auf den Gipfel - aber wir können uns nicht freuen", beschrieb Frank Meutzner die Atmosphäre.
Die vier Alpinisten steigen nun weiter ab. Ob sie noch einen Versuch am Baruntse (7 129 m) unternehmen, an dem sie in den vergangenen Wochen zwei Mal kurz vor dem Gipfel umkehren mussten, ist ungewiss. (SZ/may)


SZ vom 18.5.2000 Seite 27

Fünf Sachsen stehen auf dem fünfthöchsten Berg / Tod beim Makalu-Abstieg

Von Jochen Mayer

Stockend berichtete gestern Frank Meutzner über die vergangenen dramatischen Tage der sächsischen Himalaja-Expedition. Schuld war die dünne Luft im vorgeschobenen Basislager auf 5 500 Meter Höhe. Es lag wohl auch an den Ereignissen der vergangenen Stunden.
"Montag brachen wir ein Uhr zum Makalu-Gipfel auf", berichtete der stellvertretende Expeditions-Leiter. "Mit uns gingen zwei Koreaner, drei Italiener und ein Sherpa. Es war ein Gipfeltag, an dem alles passte." Vom Lager in 7 600 Metern Höhe war es ein hartes Stück Arbeit bis zum 8 463 Meter hohen Makalu. Besonders das letzte Stück hatte es in sich. "Wir mussten am Vorgipfel über einen etwa 20 Meter langen scharfen Grat", erzählte Frank Meutzner. "Da konnte jeder nur einzeln rüber. Es konnte auch immer nur einer auf dem Gipfel stehen. So zog sich alles in die Länge." 15 Uhr stand Olaf Zill als Erster der Sachsen auf dem Makalu. Bis 17 Uhr dauerte die Gipfel-Tour. Auch die Koreaner und Italiener schafften es. "Wir waren ein gutes Team, hatten großes Wetterglück, konnten uns ohne Daunenjacken bewegen", kamen die Informationen über das Satelliten-Telefon. "18 Uhr stiegen wir wieder ab. Mitternacht erreichten wir unser Hoch-Lager und legten uns schlafen."
Dienstagmorgen wurden die Zelte abgebaut und eingepackt. "Alles lief normal. Als wir losgingen, brach Bernd Mehnert nach drei Metern zusammen. Wir haben sofort alle möglichen Rettungsversuche unternommen, konnten aber nicht mehr helfen." Frank Meutzner ist ratlos: "Bei keinem waren Anzeichen der Höhenkrankheit zu erkennen. Es gab auch keine Erfrierungen - weder an Fingern noch Füßen. Höchstwahrscheinlich starb Bernd an einer Lungen-Embolie." Die vier Sachsen mussten Bernd Mehnert in etwa 7 600 Metern Höhe beerdigen. Sie hätten ihn nicht ins Tal tragen können.
Bernd Mehnert hatte am Montag auf seinem ersten 8 000er gestanden. Der Dresdner besaß Erfahrungen in großen Höhen. 1992 erreichte er bei der Kongur-I-Expedition 7 350 Meter. Der 33-jährige Angestellte liebte die Berge, war bei zahlreichen Touren im Kaukasus und Pamir sowie in den Alpen und Anden unterwegs.
"Wir wissen, dass in großen Höhen immer große Gefahren lauern", sagte Frank Meutzner. "Aber jeder hofft natürlich auf einen guten Abschluss. Dazu war bei uns bis zur Tragödie alles gut gelaufen, das Wetter spielte mit, wir mussten nicht gegen den Wind kämpfen." Der Schock saß tief, die Atmosphäre im vorgeschobenen Basislager war gedrückt. Unklar ist, ob die Expedition noch einen weiteren Versuch am Baruntse wagt. Jeder hat jetzt viel zu verarbeiten. Das Gipfelerlebnis wird überschattet von der Tragödie um Bernd Mehnert.

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