Kathmandu, 02.06.2003

Liebe Freunde, nun wollen wir endlich den versprochenen Bericht über die entscheidendenTage am Gipfel veröffentlichen.

Hier in Kathmandu ist es zur Zeit unerträglich heiss, jeden Tag über 30 Grad und der Monsun lässt auf sich warten. Seit unserer Ankunft in Kathmandu am 27.05. haben wir alle Sachen gepackt, an einer Feier anlässlich des 50. Jahrestages der Besteigung des Everest teilgenommen und die Seele baumeln lassen. Wir vier sind ansonsten ganz gesund und freün uns, das es nun bald heimgeht. Am 04.06. ist es soweit. Am 05.06. werden wir dann in Dresden eintreffen. Wann genau ist aber noch nicht genau zu sagen. Das wird davon abhängen wann der Flieger wirklich in Frankfurt landet und welchen Zug wir dann bekommen.

Offiziell landen wir gegen 13.00 Uhr in Frankfurt. Mittlerweile haben alle ihre abgelegten Pfunde wieder aufgefrischt, wir sind ständig irgendwo zum Essen eingeladen. Unser Elan irgendwas zu unternehmen hält sich in Grenzen. Die Hitze lähmt einen und der Dunst über der Stadt verhindert jeglichen Ausblick. So aber jetzt der versprochene Bericht über die entscheidenden Tage. Er ist von verschiedenen Leuten geschrieben.

Ganz herzliche Grüsse in die Heimat sendet Frank im Namen des Teams

16.05.2003 - Götz:
Gegen 3 Uhr morgens ist wecken und 90 min später starten wir als erste Expedition Richtung Lager 1. Morgen wollen auch die Schweden und AMICAL zum Gipfel starten. Die Rucksäcke sind diesmal nicht ganz so schwer und die Fixseile unter dem Eiger, die wir vorgestern ausgebessert und erweitert haben tragen viel zum schnellen Vorankommen am Anfang bei. Das Wetter ist ausgezeichnet und mittags sind wir in bester Stimmung im Lager 1. Am nächsten Tag wollen wir Lager 2 aufbauen und wenn das Wetter stabil ist am Nachmittag noch ein paar Fixseil gen Camp 3 verlegen.

17.05.2003 Der Tag beginnt verheißungsvoll. Wir steigen wiederum bei gutem Wetter auf Richtung Lager zwei. Die Rucksäcke sind zwar wieder schwerer, Schlafsäcke und Isomatten sind hinzugekommen, aber es geht gerade noch so. Gegen Mittag, wir sind schon ziemlich weit, tauchen plötzlich Wolken auf und als wir am Depot des Lagers 2 unser Material ausbuddeln wollen sind wir wieder im schönsten Schneesturm. Der Dhaulagiri gönnt uns nicht ein einziges Mal einen geruhsamen Zeltaufbau. Trotzdem stehen bald unsere beiden Zelte und wir hoffen auf ruhigeres Wetter am morgigen Tag. Unsere Ausrüstung war übrigens im Depot fast vollständig vorhanden, nur unser Kletterseil fehlte und wir glauben das es von den Sherpas als Fixseil verlegt worden ist.

18.05.2003 Die ganze Nacht hat es gestürmt und auch am Morgen hält das schlechte Wetter an. An einen Aufstieg nach Lager drei ist zunächst nicht zu denken. Als sich das Wetter gegen Mittag etwas beruhigt starten wir doch noch um etwas Ausrüstung und Fixseil nach oben zu bringen. Es ist stürmisch und sehr kalt, die Aufstiegsroute ist mit viel Neuschnee bedeckt. Wir haben Probleme das erste Fixseil zu finden, da der Beginn des Seils nicht markiert wurde. Beim Aufstieg finden wir auch unser Kletterseil, eingebunden in die Fixseile und tauschen es aus. Meutz hat ganz schöne Probleme damit. Die Knoten sind vereist und die Hände kann man in dem Wind nicht länger als 30 Sekunden aus dem Handschuh nehmen. Außerdem hageln einem die Eiskristalle manchmal so hart ins Gesicht das man sich mit dem Rücken zum Wind drehen muß. Fast eine Stunde daürt es und den beiden Olafs ist so kalt, das sie ins Camp zurücksteigen. Meutz und ich steigen weiter auf und legen mit den Materialien zum weiteren Ausbau der Fixseilstrecke ein Depot auf ca. 7000m Höhe an. Morgen werden wir die Sachen in das Lager drei mitnehmen. Als wir zu unserem Lager 2 zurückkehren treffen dort die Schweden und die Bergsteiger von AMICAL ein. Wir helfen ihnen noch beim Zeltaufbau und alle hoffen auf gutes Wetter am nächsten Tag.

19.05.2003 - Frank: Und es sieht gut aus am Morgen. Hier unten wenig Wind und 5.30 Uhr erwärmt die Sonne das Zelt. Das übliche, Kochen, Packen, Anziehen. Ole Zill und
ich starten kurz vor 7.00 Uhr. Ein paar Leute sind schon vor uns, ein paar noch im Lager. Unsere Zelte mußten wir doch nicht abbaün. Von unten haben wir noch zwei weitere Zelte mitgebracht, die wir jetzt mit nach oben nehmen. Bei diesen chaotischen Wetter-bedingungen am Berg erschien unsdiese Variante sicherer. Auf gehts. Es wird wieder eine ganz schöne Schlepperei. Ca. 20 kg hat jeder von uns im Rucksack. Das Gelände ist
steil, wir gehen am Fixseil. Langsam aber stetig. Wir gehen separat, jeder hat sein eigenes Tempo. An unserem Materialdepot angekommen mach ich Pause und nehm die Kamera zur Hand. Ole Zill kommt über die Kante, ca. 20min dahinter Götz und einige Andere, am Ende Olaf. Er ist als Letzter im Camp gestartet. Wir packen das Material vom Depot ein und steigen weiter auf. Jetzt kommen einige Blankeisfelder die die Waden zum Brennen bringen. Und der Weiterweg scheint kein Ende zu nehmen, noch eine Stufe und noch eine.
Endlich bin am letzten Steilstück das zum Grat führt hinter dem der Platz für das Camp sein soll. 15.30 Uhr erreiche ich Camp 3, natürlich sind die besten Zeltplätze schon weg, die Sherpas der anderen Expeditionen haben die besten Plätze reserviert. Ich suche einen Platz, wo wir mit möglichst wenig Arbeit Platz für unser kleines Zelt schaffen können. Eine Schneemulde an einer Kante direkt über einem Abbruch scheint mir das Günstigste zu sein. Ich beginne mit Schippen. Jetzt kommt auch Olaf Zill und hilft mir. Er erzählt auch, das bei Götz und Olaf noch dauern wird bis sie ankommen. Wir graben und haben Pech, bald kommen wir auf Blankeis und die Breite reicht noch lange nicht für unser Zelt, so müssen wir am Hang abstechen und unten Schnee aufschütten. Eine mühsame , anstrengende Arbeit in dieser Höhe. Langsam versinkt die Sonne hinter dem Bergrücken. Es wird empfindlich kalt. Jetzt muß das Zelt auf die Fläche passen. Aber es reicht nicht ganz. Die Gestänge zur Talseite hin hängen etwas in der Luft. Aber was solls. Auf der Bergseite schlagen wir zwei Schneeanker ein, an die wir das Zelt hängen damit wir in der Nacht nicht hinunterstürzen, denn unglücklicherweise ist alles schräg gen Tal geneigt. Dann endlich hinein ins Zelt. Drin ist es ziemlich eng, wir haben diesmal das Zwei-Mann
gewählt. Nun ist die Sonne ganz verschwunden. Gegen 18.00 Uhr erreicht Götz das Camp, eine Stnde später Olaf. Im Zelt ist es eisig und mit dem Trocknen der Schuhe und Aufwärmen im Zelt wird nichts. Wir kriechen in die Schlafsäcke und beginnen mit Kochen. Immer wieder trinken, das ist das wichtigste. Bis 11.00 Uhr sind wir damit beschäftigt. Dann etwas Schlaf. Der Tag ist so verlaufen wie ich mir den Tag vorm Gipfel nicht wünsche, sehr lang, anstrengend, kein richtiger Platz fürs Zelt und nicht genug Zeit zum Ausruhen. Aber was solls, wir werden sehen was der nächste Tag bringt.

20.05.2003 3.30 Wecken und wieder kochen. Das Anziehen der dicken Daunensachen in dem Zelt ist ganz schwierig, es ist wirklich eng hier drin und die Zeltwände sind dick verreift. Ole verläßt als Erster das Zelt.

Olaf Zill: Es ist ca. 5.00 Uhr als ich das kleine, enge Sturmzelt in Lager 3 auf 7415m
verlasse. Sofort ist die Kälte spürbar und nur die dicken Daunenschichten geben hier genügend Schutz vor der Kälte. Der Morgen sieht wunderbar aus und der Wind meint es heute scheinbar auch gut mit uns. Da ich schon beim Warten kalte Füße bekomme, gehe ich schon mal langsam los. Meutz, der noch filmt kommt etwas später nach. Als ich an Götz und Ole's Zelt vorbei komme ist klar, das sie keine gute Nacht hatten. Es sieht aus wie halb vom Sturm zerstört. Alles ist schief und es steht nur das Innenzelt. Ein kurzer Gruß, sie sind O.K. und kommen auch. Gratulieren will ich Götz zu seinem Geburtstag am Gipfel... Der Tag beginnt so, wie der gestrige aufgehört hat, eine steile eisdurchsetzte Flanke, die zum Teil mit Fels durchzogen ist. Da brennen gleich mal die Waden wie Feuer. Es gibt auch ein paar alte Fixseile, aber die taugen nicht sehr viel und werden von den Schweden genutzt. Offensichtlich sind sie schon vor uns los. Ich weiche rechts in eine Felsgruppe aus. Dort fühle ich mich sicherer und komme schneller voran. So umgehe ich auch die Schweden, die zum Teil sehr langsam sind. Nach ca. 1,5 - 2 Std. erreiche ich die Spitzengruppe. Sie besteht aus einem Sherpa und einem Bergführer von Amical, so wie zwei Teilnehmern. Vor ihnen klettert nur noch ein Franzose, der die Besteigung allein durchführen will. An dieser Stelle durchklettert man ein Felsband mit mehreren hohen
Felstürmen. Am Ende dieses Felsbandes quert man eine große Schneerinne. Hier erwartet uns tiefer Schnee, der vom Wind der letzten Tage in diese Rinne verfrachtet wurde. Die Beschaffenheit des Schnees ist sehr schlecht und das gehen strengt uns alle ganz schon an. Wir wechseln uns ab beim Spuren. Nach dem Quergang führt ein Steilhang aus der Rinne heraus. Auch hier liegt dieser schlechte Triebschnee, nur die Hangneigung ist hier viel steiler, schon fast besorgniserregend, über 50 Grad. Ich glaube wir haben alle ein bißchen Angst. Das ist der richtige Moment, um etwas geweihten Reis auszustreuen. Den habe ich von der Zeremonie mitgebracht und wie ich gelesen habe soll er die Götter beruhigen und gnädig stimmen. Am Ende des Steilhanges wird der Schnee wieder besser. Hier ist er vom Wind ganz fest gepreßt, so das er an den meisten Stellen das Körpergewicht trägt. Das Gelände ist jetzt offen und weit. Es wird immer wieder steiler und flacher. Wenn man sich einen Plan macht, dann kann man von Steilstück zu Steilstück in Stunden rechnen. Dann kommt man locker auf 4 -5 Stunden. Plus die große Rinne in der Ferne, die angeblich und hoffentlich zum Gipfel führt. Da fragt man sich schon mal, was man hier eigentlich macht... Aber erst mal weiter... Nach einer Weile beginnt sich unser Spitzenquintett aufzulösen. Der Sherpa ist uns längst voraus geeilt und zwei sind etwas langsamer geworden. Dann taucht plötzlich der Franzose am Ende der Rinne, in einem Sattel auf. Ist das der Gipfel? Es sieht immer noch sehr weit aus. Endlos weit. Doch für ihn, der schon im Abstieg ist, geht es natürlich schnell. Nach etwa einer viertel Stunde steht er schon bei uns. Ich gratuliere und setze meinen Aufstieg fort. Bald kommt auch der Sherpa vom Gipfel herunter. Etwa 1,5 Stunden später erreiche ich das Ende der Rinne. Es ist ein kleiner Sattel im langgezogenen Grat des Dhaulagiri. Links von mir erheben sich einige felsige Aufbauten. Einer davon ist der Gipfel. Ich bin allein und genieße dies einige Momente lang. Die anderen werden noch einige Zeit bis hier nach oben brauchen. Ganz in der Ferne kommt noch eine Gruppe. Dann mache ich mich auf die Suche nach dem Gipfel. Es soll der zweite Felsturm am Grat sein und so sieht es auch von hier aus. Zwischen Ersten und Zweiten Turm soll es Kletterstellen im Vierten Grat geben. Aber das Gelände ist dann doch nicht ganz so schwer, dafür aber teilweise recht Luftig und ausgesetzt. Immer wieder finde ich Spuren, die von dem Franzosen sind. Und dann ist es endlich soweit. Ich erreiche den höchsten Punkt. Das GPS zeigt hier 18m mehr an als an dem Ersten Turm und auch der Franzose hat hier etwas hinterlassen. Solche Plätze haben immer etwas unwirkliches für mich. Das Gefühl, von hier zu sein und schnell wieder weg zu wollen. Ein Platz, der seinen Reiz erst Wochen später frei gibt und dafür für immer behält. Auch ich hinterlasse etwas. Ein Seidentuch, etwas Reis, eine Schlinge und den Kern einer Frucht. Dann klettere ich zurück zum Sattel. Für Hin und Rückweg brauche ich etwas mehr als eine Stunde. Im Sattel treffe ich auch die Anderen aus unserer Gruppe. Sie machen sich nicht erst die Mühe und sind schon wieder am absteigen. Ein Blick von oben in die Rinne, zeigt mir, das Meutz bei den Nächsten dabei ist. Er wird noch etwa 20 -30 min brauchen. Ich beschließe noch auf ihn zu warten, das wird unser zweiter gemeinsamer Achtausender. Und dann passiert es... Einer der Absteigenden rutscht aus, kommt ins Stürzen und reist Meutz mit sich in die Tiefe. Ich sehe sie fallen und sich überschlagen, in einer nicht enden wollenden Talfahrt und kann es kaum fassen. Erst einige Hundertmeter weiter unten kommen die beiden endlich zum stehen. Was ist passiert? Schnell packe ich meine Sachen und beginne mit dem Abstieg.

Frank: Ca. eine Stunde bin ich hinter dem Spitzenteam zurück, habe einige Zeit verloren um an den Schweden vorbeizukommen und eine ganze Menge gefilmt. Ich bin jetzt an dem Punkt angelangt wo man den Grat über Camp3 verläßt um nach rechts durch die Felsen zum großen Schneefeld qürt. Da tauchen ca. 100m vor mir zwei Gestalten in den Felsen auf, im Hintergrund blauer Himmel. Es sieht fantastisch aus und ich unterbreche wieder meinen Aufstieg. Kamera raus, ein Super Motiv. Zwei-drei Minuten aufnehmen dann wieder alles verpacken und Hände aufwärmen. Weiter gehts. Gut sehe ich die Spitzengruppe die sich an dem Steilstück nach dem Quergang nach oben wühlt. Gut sehe ich aber auch die Wind- und Schneefahnen, die über das große Schneefeld jagen. Ich denke, das ich die Gruppe vielleicht einholen kann, da ich ja ihre Spuren nutzen kann. Aber Pustekuchen. Fein säuberlich weht der Wind Triebschnee in die Spuren und so komme nicht näher an die Gruppe heran, die dann nach dem Steilstück hinter einer Kante verschwindet. Ich qüre vorsichtig weiter. Man muß gut konzentrieren. Hangneigung ca. 45 Grad und unter einem gehts weit hinunter. Jeder Fehltritt endet ca. 2km tiefer auf dem Gletscher. Möglichkeiten zum Bremsen hat man kaum, unter der 10-20 cm dicken Schneedecke ist Blankeis. Endlich bin ich am Steilstück. Das ist wirklich ein unangenehmes Stück. Rutschiger Schnee auf Eis und über 50 Grad steil. Runterzu wird das bestimmt schwierig. Da will ich möglichst nicht allein absteigen. Endlich legt sich das Gelände etwas. Ich gelange jetzt zu der langen Querung die zur Rinne zum Sattel vorm Gipfel führt. Da sehe ich oben in dieser Rinne einige Leute. Einer steigt ab, vier steigen auf. Nach einer Weile kommt mir der Franzose entgegen, ich gratuliere, später ein Sherpa von Amical. Beide waren schon oben. Jetzt erkenne ich Ole mit einem Bergsteiger von Amical im Aufstieg zum Sattel, ein ganz Stück dahinter zwei Weitere. Vor der Rinne mache ich nochmal eine kurze Pause. Gern würde ich etwas länger rasten aber es weht ein sehr kalter Wind, von der angekündigten Windstille kann keine Rede sein, und ich hab seit Stunden eiskalte Füße. Schnell einen Schluck aus der Flasche und weiter. Zusammen
mit dem Schweden und seinem Sherpa gehe ich in Rinne. Harter windgepresster Schnee, teilweise Eisfelder,die man aber umgehen kann. Ich unterhalte mich kurz mit dem Sherpa. Er ist ein Freund von Mingmar und sagt es ist nicht mehr weit. Die Waden schmerzen, frontal kann ich kaum noch antreten, also die Füsse immer schön im V-Schritt, die Finne des Pickels im Schnee. Auch hier ist es 40 Grad steil. Ja nicht ausrutschen. Jetzt bin vielleicht 30-40 Meter vorm Sattel. Da taucht dort Oles Gesicht auf. Er winkt mir zu und ruft "
eh Meutz bald geschafft". In mir kommt jetzt dieses herrliche Gefühl der Vorfreude auf. Es durchströmt mich warm und die letzten Kräfte werden mobilisiert. Drei Leute von Amical beginnen mit dem Abstieg vom Sattel. Ich erkenne den Bergführer, dann Dieter den wir schon vom Makalu und Everest kennen und ganz vorn geht ein mir unbekannter Bergsteiger. Es sieht etwas unsicher aus wie er absteigt und was mich völlig verwundert - er hat keinen Eispickel, nur zwei Skistöcke. Die Spuren führen von mir aus gesehen in einem Linksbogen im etwas flacheren Gelände zum Sattel. Ich glaube das diese Spur die Absteigenden nutzen und steige gerade hoch. Da sehe ich wie der mit den beiden Skistöcken auch direkt absteigt, es sieht unsicher aus. Ich hab ein komisches Gefühl. Er ist vielleicht drei Meter über mir. Da passiert es. Ich höre einen Schrei "Achtung". Doch bevor ich meinen Pickel richtig einschlagen kann rutscht er schon ich mich rein. Ich versuche es
noch mit dem Pickelrettungsgriff doch sein Körpergewicht reißt mich in die Qürlage und der Pickel fliegt raus. Eine rasende Abfahrt setzt ein, besser gesagt ein unkontrollierter Sturz. Kopfüber, qür, überschlagend. Man hat keine Möglichkeit mehr Einfluß zu nehmen. Man rutscht, man fliegt, man schlägt hart auf. Ich weiß nicht wie lange es daürt, das Zeitgefühl ist komplett weg. Auf einmal stoppt der Sturz jäh im tiefen Schnee. Geistesgegenwärtig ramme ich meinen Pickel in den Schnee und klammere mich fest damit es nicht nochmal los geht. Ich brauche bestimmt Minuten um mich wieder einzukriegen. Adrenalinaustoss pur. Der Atem geht so stark, das ich denke ich muß ersticken. Überall Schnee. Ich bewege Hände, Füße. Keine Schmerzen. Ich richte mich auf. Auch da keine Schmerzen. Den Pickel habe ich noch an der Handschlaufe, den Rucksack auf dem Rücken, den Fotoapperat um und die Steigeisen an den Füßen. Ich setze mich hin und befreie die Brille vom Schnee. Endlich kann ich was sehen. Als erstes ein unschöner Anblick. Zwei Meter unter mir liegt der andere Bergsteiger mit völlig verdreht und ohne Regung da. Ich denke er ist tot. Ich spreche ihn an. Und zu meinem Erstaunen antwortet er das alles o.k. ist. Ich wende mich nach oben und sehe weit weg drei Leute auf uns zukommen. Ich hebe die Hand als Zeichen das alles o.k. ist. Aufstehen kann ich noch nicht. Ich muss mich noch sammeln. Wir sind weit gestürzt, die gesamte Aufstiegsrinne hinunter, mindestens 600 Meter. Und wir haben riesiges Glück gehabt. Hier unten waren ein paar weichere, mit Tiefschnee bedeckte Stellen, die unseren Sturz bremsten. Wir liegen jeder auf einer Art kleinen Etage, ich oben er auf der unteren und sein Arm hängt auf das über 60 Grad steile Eisfeld hinunter was direkt unter ihm beginnt und weit, weit hinunter führt. Dort wäre es nicht mehr so glimpflich abgegangen. Und das größte Wunder ist, das wir beide unverletzt sind. Ich steige zu ihm hinab, helfe ihm auf. Er scheint ein wenig verwirrt. Ich ziehe ihm seine Handschuhe an. Mein Blick geht nach oben und in der Sturzspur sehe ich einen kleinen Beutel liegen, meinen Beutel. Wie kommt er dorthin? Da schiesst es durch meinen Kopf, der war doch im Rucksack, der Sturz, die Filmkamera. Ich reiße mir den Rucksack von den Schultern, sehe offene Schnallen. Fieberhaft greift meine Hand in den Rucksack. Leer.
Die Kamera ist weg, mitsamst Tasche, Zubehör und den gefilmten Aufnahmen. Ich sinke zurück in den Schnee. Ein winziges Fünkchen Hoffnung ist noch das die Kamera in der Sturzspur liegt. Aber dem ist nicht so. Ole und die anderen, die uns jetzt erreichen haben nichts gefunden. Das ist mehr als schade. Kein Gipfel, kein Film, keine Kamera. Das war nicht mein Tag. Aber eins wird mir trotzdem bewußt. Ich habe jetzt zwei Geburtstage.

Olaf Zill: Als ich ca. 20 min später da bin, finde ich Meutz unverletzt vor. Nur ein Schrecken sitzt ihm in den Gliedern. Da hat er Glück gehabt und ich bin sehr froh darüber. Der andere Bergsteiger hatte da weniger Glück. Zwar sah erst alles in Ordnung aus, doch zeigten sich später immer mehr Symptome einer akuten Hohenkrankheit. So taumelte er immer mehr, wurde immer orientierungsloser und war zum Schluß kaum noch richtig ansprechbar. Ich entschied mich ihm eine unserer Notfallspritzen zu geben. Der
Bergführer seiner Mannschaft war mit dieser Situation etwas überfordert. Jetzt mußte er so schnell wie möglich nach unten gebracht werden. Dabei konnte er zwar schon noch selber gehen, mußte aber oft geführt und gestützt werden. Außerdem brauchte er etwa alle 10 -20 Schritte eine lange Pause zur Erholung und zur neuen Motivation. Manchmal auch öfter. Eine endlose Folge von reden, bitten, schieben, ziehen und auch härterer Worte. Klar war auch, das wir in dieser Verfassung, die Steilstufe zur Rinne nicht ohne Fixseile herunter kommen. Über Funk, forderte der Bergführer einen Sherpa an. Dieser sollte uns ein Fixseil und Sauerstoff für den Kranken bringen. Oberhalb der Steilstufe warteten wir dann auf den Sherpa. Eine endlos lange, zermürbende Zeit, in der es kalt wurde, sehr kalt. Mittlerweile ging die Sonne unter und bis zum Camp 3 war es noch ein weiter Weg. Mit der Dämmerung traf der Sherpa bei uns ein. Sofort begannen wir das Seil zu installieren und die Steilstufe herunter zu seilen. Eine schwierige Aufgabe in der Dunkelheit. Außerdem mußte ich mehrfach wieder aufsteigen, um dem Kranken bei den Seilmanövern zu helfen. Mittlerweile hatten sich schon Erfrierungen an seinen Händen gebildet, was den Umgang
mit dem Seil erschwerte. Die Dunkelheit und ein starker Wind, brachten uns neü Schwierigkeiten. Die Spuren vom Aufstieg waren verweht und in der Nacht war die
Orientierung zwischen den Felsen äußerst schwierig. Lange mußten wir nach dem richtigen Weg suchen. Als wir ihn endlich gefunden hatten, war unsere Gruppe sehr zerstreut. Einige waren schon voraus und andere waren noch langsamer als wir mit dem Kranken. Meutz beeilte sich jetzt auch zu den Zelten in Camp 3 zu kommen, er hatte ziemlich Probleme mit seinen Füßen. So stand ich alleine mit dem Kranken vor der Aufgabe, uns die steile
Flanke, an Fixseilen, bis zu den Zelten in Camp 3, herunter zu kämpfen. Seine Hände waren jetzt vollkommen erfroren. Sie waren kaum noch zu gebrauchen und immer wieder rutschte er damit ab. Als wir Camp 3 erreichten, war es bereits 3.00 Uhr. Wir waren beide total erschöpft und ich war froh ihn an jemanden seiner Mannschaft übergeben zu
können. Außerdem konnte ich Götz noch nachträglich zum Geburtstag gratulieren. Ich trank noch etwas Tee, kroch ins Zelt und schlief sofort ein.

Götz: wieder mal Geburtstag an einem hohen Berg und heute soll es sogar zum Gipfel gehen. Allerdings sind die Voraussetzungen für Olaf und mich nicht gut. Der Tag gestern hat geschlaucht und wir hatten das Pech keinen guten Zeltplatz im Lager drei zu finden. Bei unseren Grabungsbemühungen stießen wir immer wieder sofort auf blankes Eis. Deshalb stellten wir nur das Innenzelt schräg auf die kleine Fläche, die wir dem Hang abringen konnten. Das bedeutete eine Nacht im Sitzen und damit war der Erholungseffekt gleich Null. Wir kommen später los als Meutz und Ole Zill und ich nehme noch eine Rolle Fixseil im Rucksack mit. Gleich nach dem Lager gibt es eine steile Stelle mit wenig Schnee über Eis und dort verlege ich mit Olaf die Hälfte vom Fixseil. Wir denken, das alle Mitglieder der drei Expeditionen die jetzt zum Gipfel unterwegs sind später, im Abstieg, erfreut darüber sein werden. Aber wir verbummeln viel Zeit damit und der Vortag, die schlechte Nacht machen sich bemerkbar. Wir sehen Meutz und Ole nach einer Querung im Schnee und einem anschließenden Steilhang über eine Kante verschwinden. Als wir die Qürung angehen ist es schon spät, nach 11 Uhr. Der Schnee ist schlecht, wieder nur eine dünne Auflage über Eis und der anschließende Hang ist wirklich steil. Eigentlich brauchte man hier auf ca 7700m jetzt ein Seil und ein oder zwei Snowbars, zumindest für den Abstieg. Ein Abrutscher an dem Steilhang wäre fatal, da sich eine Wand anschließt die sicher 1000m hinunter führt. Aber unser Kletterseil liegt am Zelt und der Rest vom Fixseil an der Stelle von vorhin. Ich teile Ole meine Überlegungen mit und wir beschließen umzukehren und es morgen noch einmal mit Seil und etwas eher zu versuchen. Mit uns kehren zwei Schweden und zwei Mitglieder von AMICAL um. Die Nacht wird dann sehr unruhig und wir sind froh als Meutz und Ole Zill nach den dramatischen Ereignissen wohlbehalten gegen drei Uhr morgens Tee an unserem Zelt trinken. 21.05. Es ist wieder sehr stürmisch und wir beschließen den Gipfel aufzugeben und mit Meutz und Ole Z. abzusteigen - am besten bis hinunter ins Basislager auch wenn das bedeutet drei Lager abzubaün. Aber das Basislager erweist sich bald als schöne, aber unerreichbare Illusion. Die Fixseilstrecke hinunter zum Lager zwei ist immer wieder von erschöpften Mitgliedern der Schwedischen Expedition blockiert. Überholen ist oft nicht möglich und so müssen wir endlos warten. Einer der Schweden verheddert sich so mit seiner Ausrüstung im Fixseil das wir ihn losschneiden müssen. Ich borge ihm danach meine Abseilacht und hoffe das er so etwas besser nach unten kommt. Im Lager zwei treffen wir das Team von AMICAL. Der Bergsteiger, der Meutz mit in die Tiefe gerissen hat atmet zusätzlichen Sauerstoff und wird am Seil nach unten geführt. Seine Hände sind erfroren - hoffentlich kommt er gut ins Basislager. Wie beschließen im Lager zwei zu bleiben und morgen abzusteigen.

22.05.2003 Der Tag beginnt mit einer Schrecksekunde. Der Zustand eines Schweden, der auch im Lager 2 übernachtet hat ist schlechter geworden. Wir befürchten das er stirbt. Er wird von zwei Sherpas seines Teams in einen Schlafsack gesteckt und Richtung Lager eins abtransportiert. Sie ziehen ihn die steilen Hänge hinunter, immer wenn er sich etwas im Schlafsack bewegt schöpfen wir wieder Hoffnung. Wir baün in stundenlanger Arbeit unser Lager ab. In der Nacht hat es wieder so gestürmt und geschneit das von Meutz und Oles Zelt nur 30cm raussschaün. Wir folgen den Schweden mit nun schon wieder sehr schweren Rucksäcken. Im Lager 1 gibt Ole Zill. dem Schweden eine von unseren Notfallspritzen. Dort gibt es für den Schweden auch Saürstoff, er wird überleben. In unsere schon riesigen Rucksäcke kommt jetzt noch das komplette Lager 1. Besser gesagt außen dran. Wir haben die komplette Ausrüstung von 3 Lagern eingepackt. Das sind schon allein sechs Zelte. Wir lassen nichts am Berg, alles kommt wieder mit nach unten. Eine
Ausnahme gibt es. Alles was eßbar ist wird aus den Verpackungen genommen und im Schnee vergraben. Der Müll kommt natürlich mit nach unten. Und dann geht es los Richtung BC. Der Weg wird zur Tortur. Die ca. 35 kg schweren Rucksäcke machen was sie wollen und oft taumeln wir Richtung BC. Am Eiger herrscht dichter Nebel, es ist richtig unheimlich und jeder hofft das jetzt nicht noch Steinschlag oder eine Eislawine das Ende unserer Expedition gefährden. Aber dann ist es geschafft und am Fuß des Eiger
erwartet uns unser Küchenteam schon mit Getränken.

23.05.2003/24.05.2003 Wir müssen packen, denn die Träger sind bereits da. Sie werden den Hauptanteil unserer Ausrüstung nach Beni transportieren. An beiden Tagen
fliegen Rettungshubschrauber. Am ersten Tag werden der Bergsteiger mit den erfrorenen Händen und auch Dieter der sich Erfrierungen bei einem Notbiwak in der Abstiegsnacht zugezogen hat, ausgeflogen. Am nächsten Tag dann der Schwede.

25.05.2003 Heute solls nach Marpha gehen. An einem Tag. Es ist sehr weit aber es soll zu schaffen sein. Es wird ein bisschen von den Schneebedingungen hinterm Pass abhängen. 3 Uhr ist wecken aber wir kommen erst gegen 5 Uhr los. Das ist schon etwas spät. Trotzdem sind wir guter Stimmung, die erst nach dem French Paß verfliegt. Am French Pass selbst nochmal ein herrlicher Blick auf den Dhaulagiri. Mit der Reservefilmkamera macht Meutz noch ein paar Interviews zum Gipfeltag. Es ist jetzt schon gegen Mittag und der Schnee am Paß ist aufgeweicht. Immer wieder sinken wir bis zur Hüfte ein und kommen nur sehr langsam vorwärts. Dazu kommt nach dem Dhampuspaß noch schlechtes Wetter und wir haben das Gefühl den Weg verfehlt zu haben. Aber
es geht alles gut. Meutz und Ole K., die hier schon im Herbst 2000 abgestiegen sind finden sich immer wieder zurecht. Gegen 21 Uhr, es ist schon stockfinster treffen wir endlich in Marpha ein. Nach langer Zeit können wir nun mal wieder in einem richtigen Bett schlafen. Morgen werden wir eine Stunde noch Jomson laufen und übermorgen nach Kathmandu fliegen. Wir haben die Anstrengungen hinter uns und belohnen uns selbst - mit einem
(oder zwei) Bier im Hotel.